Merkmale des Echten
Oleg Bokachov 10.10.2019

ÜBER DAS WESENTLICHE UND DAS LEERE

Für diejenigen, die das Wesentliche und das Echte in jeder Manifestation des Lebens suchen, wird die Leere der Umwelt allmählich zu einem immer größer werdenden Problem. Unsere Umwelt ist mit vielen leeren Dingen gefüllt — auf den ersten Blick nützlich und notwendig, aber aus solchen Materialien hergestellt und dazu noch so standardisiert und kunstlos, dass sie leblos erscheinen und weder Kraft noch greifbaren Wert besitzen. Wenn es viele solche Dinge gibt, schaffen sie so eine Wahrnehmung unseres Umfelds, die unsere Sinne nicht nährt, und unser Leben verblasst dadurch — es wird dürftig und hohl.

Der Wunsch zu begreifen, zu verstehen, was “leer” und was “erfüllt” oder “stark” ist, entsteht dann auf ganz natürliche Weise. Das gilt aber nicht nur für Dinge. Die Menschen sind genauso — leer und gesichtslos oder wertvoll und echt. Es wäre wichtig die Merkmale für alles zu finden, was man als Echtes bezeichnen kann, um unser Lebensumfeld bewusst zu gestalten, lebendig zu machen, so dass es unsere Sinne verwöhnt und uns mit natürlichen Kräften nährt.

Im Russischen beinhaltet die Wurzel des Wortes “Echt” sowohl “wertvoll” als auch “aufrecht stehend”. In der Natur gibt es nicht viel aufrecht stehende Dinge — nur Berge, Bäume, Feuer und Menschen. Solch eine kleine Anzahl zeigt nicht nur den Wert an, sondern auch die Zugehörigkeit zu einem Rod — einem würdigen geistigen Ursprung, der gleich einer Säule vom Himmel bis auf die Erde reicht und die Materie zwingt, sich senkrecht zu erheben.

Der Kern vertikaler Naturphänomene liegt in der ihnen innewohnenden Pyramidenform, die zum Himmel — ihrem höchsten Ursprung — ragt.

Von allen vertikalen Naturphänomenen ist der menschliche Körper für uns am greifbarsten, da er immer bei uns oder vielmehr auf uns ist. Wir tragen ihn wie unsere Kleidung und nehmen durch ihm alles wahr, was außen und innen passiert. Dies bedeutet, dass es für uns das realste und universellste Maß ist, mit dem wir alles vergleichen können, was wir auf den Grad der “Echtheit” überprüfen wollen.

EIN UNIVERSALMASS

Je höher wir in den Ebenen unseres Körpers aufsteigen, desto mehr füllt sich dieser mit etwas Wesentlichem und Wichtigem für uns. Im Bereich der Beine — von den Füßen bis zu den Hüften — ist der Körper leer und hat kein Zentrum. Höher, auf der Ebene des Beckens, wird es voll — bei Frauen weniger, bei Männern mehr. Ganz oben ist er mit raffiniertem Sinn erfüllt, der unser Denken, Entscheiden, Handeln und dessen Ergebnisse bestimmt.

Wenn man den Körper als das Maß der Echtheit verwendet, kann alles um den Menschen herum entweder durch seine obere oder untere Körperhälfte als voll oder leer empfunden werden. Gerne nehmen wir ein Stück Holz in die Hände und fühlen es mit unserem Körper, als etwas volles, dafür aber einen Plastikgegenstand wird unser Körper nicht als etwas angenehmes empfinden. Höchstens wenn wir auf dem Kunststoffboden gehen, dann fühlen wir möglicherweise kein Unbehagen, da die Leere des Kunststoffs dem unteren Teil unseres natürlichen Messinstruments — des Körpers — besser entspricht.

Durch den Körper fühlen bedeutet, auf die subtilen Körperempfindungen zu achten, die auftreten, wenn man etwas anschaut, berührt oder einfach nur an das zu untersuchende Objekt oder Erscheinung denkt. Es kann ein Gefühl der Expansion oder Kontraktion, Leichtigkeit oder Schwere, Stärke oder Schwäche, Wärme oder Kühle sein, oder einfach die Wahrnehmung, dass wir, wenn wir unseren Körper mit unserer Aufmerksamkeit abtasten, auf einer bestimmten Ebene mehr “hängen bleiben”.