Vorbestimmung — Ausstieg aus dem Inkubator
Oleg Bokachov 08.10.2019

Das Potenzial eines Menschen liegt vor ihm natürlich verborgen, so wie ein in den Boden geworfener Baumsamen möglicherweise alles trägt, was in seiner Baumart vorkommen kann. Für die Umwelt aber offenbart sich sein Potenzial auch noch nicht. Könnte es daran liegt, dass die Umwelt einem Menschen nicht aufzeigt, wozu er in der Lage ist und was er tun sollte? Im Gegenteil — das Umfeld bietet ihm die Wahl zwischen vielen Arten von Tätigkeiten die für die Menschheit nützlich sind und sagt: “Alle Möglichkeiten stehen Dir offen!”

Aber wir kümmern uns um unser eigenes Potenzial und nicht um das Potenzial aller anderen Menschen. Muss also der Samen zuerst wissen, dass er der Samen eines Baumes und nicht eines Grases oder Strauchs ist? Muss er wissen, dass es sich bei ihm nicht um den Samen irgendeines beliebigen Baumes handelt, sondern um einer ganz bestimmten Baumart? Muss er wissen, von welchem Baum er stammt? Wie war die Geschichte des Baumes und welche Erfahrung hat er gemacht und von welchen Ahnen er kam? Ist es nicht gerade unser Potenzial, was uns von allen anderen Bäumen unterscheidet?

“Nein”, sagt die Gesellschaft.

“Ja”, antworten die Ahnen.

Wovon hängt es dann ab, ob sich das volle Potenzial entfaltet oder nur ein Teil davon? Entfaltet es sich standardisiert oder nach einem individuellen Muster, das sich merklich von anderen unterscheidet? Wird es wirklich ein schönes Muster sein oder nur ein Haufen zusammengeworfener, nutzloser und leerer Fähigkeiten, wie eine sehr “nützliche” Fertigkeit, das Auge mit der Zunge zu erreichen oder am Ohr mit der Ferse zu kratzen?

Das gesamte Potenzial der Menschheit, das sich über Jahrtausende angesammelt hat, manifestiert sich heutzutage in einem einzelnen Individuum durch sehr durchschnittliche Fähigkeiten. Ist das nicht überraschend? Müssen wir das wirklich als selbstverständlich annehmen?

Die mittelmäßigen Fähigkeiten des modernen Menschen verraten jedoch sofort den Grund für diese Situation — eine früh beginnende standardisierte Behandlung von Kindern, die ihr Potenzial in einen sehr konkreten, im Verhalten der Mehrheit gut erkennbaren Rahmen zwingt.

Wenn man sich die standardisierten Fähigkeiten der Mitglieder der heutigen Gesellschaft ansieht und die charakteristischen ähnlichen Muster analysiert, kann man daran erkennen wie das moderne Umfeld die Entfaltung des Menschenpotenzials beeinträchtigt. Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen, wenn zum Beispiel jemand in einer Standardumgebung auf die Welt kommt und aufwächst aber dennoch außergewöhnliche Begabungen aufweist. Dies ist möglich, es geschieht jedoch nicht infolge sondern trotz den normalisierenden Einflüssen. Die mittelmäßige Mittelschule produziert in der Regel sehr mittelmäßige Menschen.

Das Potenzial, das sich bei einem Menschen offenbaren wird, hängt also davon ab, wie lange er als Kind und später beim Erwachsenwerden den standardisierenden Einflüssen ausgesetzt wird.

Während der menschliche Körper heranwächst, beeinflusst die Umwelt sein Potenzial sehr stark. Normalerweise erfolgt das Wachstum bis im Alter von etwa 24 Jahren. Meistens ist es eben der Zeitpunkt, bis zu dem der Mensch diverse Bildungseinrichtungen besucht. Wenn er dann zu arbeiten beginnt ist sein Potenzial bereits nach einem sozialen Standard formatiert — er hat eine Reihe von Fertigkeiten erworben: Lesen, Schreiben, Zählen, seine Meinung äußern und sich unterhalten. Man sollte sich ehrlich sein und zugeben, dass nach dem Studium keine anderen Fähigkeiten sich den oben aufgeführten anschließen. Wenn jemand dazu noch Klavier oder Tennis spielen kann, dann ist das ein Zeichen, dass es in seinem Leben neben dem Bildungssystem auch einen gewissen Familieneinfluss gegeben hat.

Wie wir sehen, ist es nicht viel. Die klaffende Leere in Bezug auf unsere Vorbestimmung und das ungenutzte Potenzial quält heute die meisten von uns. Wenn wir nicht dringend anfangen, etwas zu unternehmen, können wir ein ganzes Leben lang ein durchschnittlicher Angestellter eines mittleren Amtes oder bestenfalls ein durchschnittlicher Geschäftsmann bleiben.

Der größte Büroangestellte ist der Präsident des Landes. Der größte Geschäftsmann ist ein Oligarch. Weder der eine noch der andere zeigen jedoch ihr gesamtes natürliches Potenzial. Es bleibt immer noch durchschnittlich.

Was soll man tun, um sich weiter zu entwickeln?

Zunächst sollte man wissen, in welche Richtung man sich überhaupt entwickeln will.

Zum allererst muss man sich darüber im Klaren sein, dass solange es für uns keinen starken Einfluss aus der richtigen Richtung gibt, werden wir in unserer Entwicklung keine solche richtungsgebende Säule haben, um die wir uns “ent-wickeln” können. Um sich in die richtige Richtung zu entfalten, benötigen wir eine Kraft, die auf uns von oben einwirkt. Genauer gesagt: wir müssen etwas haben, was uns die Entwicklungsrichtung zeigt, was wir über uns stellen werden um selbst darunter stehen zu können. Dann wird diese Quelle für uns zur Sonne nach der wir greifen und uns entwickeln werden.

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